PET bei Prostatakarzinom - allgemein

Erstellt am 15 Sep 2015 22:17
Zuletzt geändert: 18 Jan 2021 20:01

Sozialrechtliche Anerkennung

Sozialrechtlich ist die PET bei Prostatakarzinom derzeit im Regelfall bzw. in der ambulanten Regelversorgung nicht anerkannt.

Mit Beschluss vom 21.12.2017 hat allerdings der Gemeinsame Bundesausschuss die Aufnahme der PSMA-PET-CT in den Katalog der gesondert zu vergütenden Maßnahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung § 116b SGB V (ASV-Versorgung) beschlossen. Siehe hierzu den entsprechenden Artikel im Wiki.

PET-CT oder PET-MRT

Radiopharmaka (Tracer) für die Prostata-PET

  • Die FDG-PET ist beim Prostatakarzinom grundsätzlich nicht geeignet, da FDG in der Blase anreichern und so jede weitere Aktivitätsaufnahme "übertünchen" würde. (s.a. bei "Grundsätzliche Einschränkungen der PET").
  • Cholin-Tracer sind bislang laut telefonischer Auskunft des BfArM in zwei Produkten als fertige Injektionslösungen arzneimittelrechtlich zugelassen und verkehrsfähig in Form von 18F-Flourethylcholin (Firma Eckert & Ziegler) und 18F-Fluormethylcholin (IASOcholine®, Iason, Graz/Östereich). Die außervertraglich entstehenden Kosten für eine Cholin-PET/CT liegen in der Region Nordrhein bei ca.1100,- Euro.
  • Aufgrund experimenteller Daten und grundsätzlicher theoretischer/strahlenphysikalischer Überlegungen werden vermehrt andere Tracer beim Prostatakarzinom experimentell eingesetzt. Vorrangig tritt seit etwa Mitte 2014 der Tracer Ga-68-PSMA in Erscheinung. Seit Ende 2015 sind zwei Ga-68-haltige (bzw. in dieses zerfallendes) Radiopharmaka arzneimittelrechtlich zugelassen1. Eine radioaktiv markierte PSMA-Verbindung ist bislang (April 2017) nicht zur Anwendung beim Menschen zugelassen. Anwendende nuklearmedizinische Institutionen benötigen daher eine behördliche Herstellungserlaubnis für diese Substanzen. Die Gallium-68-DOTA-PSMA-PET/CT ist erforderlich zur Vorbereitung einer PSMA-Peptid-Rezeptor-Radionuklid-Therapie (PRRT) bei ossär metastasierten Prostatakarzinomen.
  • Für die Somatostatinrezeptor-Bildgebung steht seit 2017 mit IASOtoc 20 MBq/ml Injektionslösung mit der Substanz (68Ga)Galliumedotreotid ein kommerziell erhältlicher Ga-68-basierter Tracer zur Verfügung.

Achtung: Vereinzelt wird gesagt, dass (wie bei der MRT) der Patient sich für eine PET/CT nicht unter einer Androgenentzugstherapie befinden sollte. Nach Meinung einzelner Experten sollte ein Sicherheitsabstand von in der Regel drei Monaten nach Gabe der letzten Injektion (LHRH-Analogon oder GnRH-Antagonist) zur Untersuchung eingehalten werden. (Quelle: Ralf-Rainer Damm, Februar 2014)
Dies ist jedoch umstritten!
Die meisten nuklearmedizinischen Institute halten eine Therapiepause bzw. einen Zeitabstand zur Hormontherapie für nicht notwendig. Siehe z.B. Patienteninformation der Uniklinik Leipzig Patientenvorbereitung zur 68Ga-PSMA-L PET/PET-CT Untersuchung bei Prostata-Ca.

PET bei Prostatakarzinom - Empfehlungen deutscher oder deutschsprachiger Leitlinien

Folgende Leitlinien enthalten Empfehlungen zur Nutzung der PET bzw. PET-CT bei Prostatakarzinomen:

Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms. DGU, Düsseldorf. AWMF-Register-Nummer 043/022OL. Stand: 01.04.2018 , gültig bis 30.04.2021. Prostatakarzinom: Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien. Version 5.0, April 2018.2

Diese Leitlinie enthält keine Empfehlung der PET für die Primärdiagnostik bzw. es wird explizit ausgesagt, dass die PET zur Primärdiagnostik nicht eingesetzt werden sollte (Empfehlung 4.19; früher 4.9).
Weitere Aussagen der 2014er-Version der Leitlinie zur PET, die in der aktuellen Version von 2018 nur gering modifziert (spezifiziert) wurden:

"Patienten mit Tumorkategorie cT1 und low-risk-Parametern sollten keine bildgebenden Untersuchungen zum Staging (Sonografie, Skelettszintigrafie, CT, PET/CT) erhalten."
Empfehlung 4.25 (war 4.15): "Die Rolle der PET Hybrid-Bildgebung mit radioaktiv markierten PSMA-Liganden im Rahmen des primären Stagings ist unklar, sie sollte daher innerhalb kontrollierter klinischer Studien erfolgen.."

Für die Rezidivdiagnostik enthält die 2018-er Version gegenüber der Leitlinie von 2014 folgende neue Aussagen (Empfehlung 4.29; war 4.19 in 2016; Empfehlungsgrad 0):

"a. Im Rahmen einer Rezidivdiagnostik (nach primär kurativer Therapie, s. Empfehlung 6.2 und 6.3) kann primär eine PET Hybrid-Bildgebung mit radioaktiv markierten PSMA-Liganden zur Beurteilung der Tumorausdehnung erfolgen, falls sich aus dem Befund eine therapeutische Konsequenz ergibt.."

Ergänzt wird diese Empfehlung durch Teil b. mit Empfehlungsgrad A:

"Ein negatives PSMA-PET soll eine frühe Salvage-Therapie nicht verzögern."

In den Erläuterungen zu dieser Empfehlung heißt es, dass eine Limitation der, als Begründung dieser Empfehlung herangezogenen kleinen Studien darin besteht, dass die Ergebnisse der PSMA-PET in diesen Studien nicht systematisch histologisch verifiziert wurden, und dass keine der Studien patientenrelevante Outcomes der jeweils gewählten Therapiestrategien über einen entsprechenden Zeitraum verfolgt und berichtet hat.
Bedingung für den Einsatz der PSMA-PET ist eine therapeutische Konsequenz, also eine therapeutische Option beim ersten Rezidiv nach primärer OP oder Bestrahlung.

Zu Teil b. der Empfehlung 4.29 heißt es in den Erläuterungen:

"Gemäß Empfehlung 6.10 soll die Salvage-Radiotherapie möglichst frühzeitig beginnen (PSA < 0,5 ng/ml). Deshalb sprechen sich die Autoren dafür aus, bei negativem PSMA-PET und gleichzeitiger Indikation zur Salvage-Therapie diese unverzüglich zu empfehlen und nicht abzuwarten bis eine wiederholte PET-Bildgebung positiv wird."

Die lokale Bestrahlung oder operative Entfernung von Lymphknotenmetastasen wurden als individuelle Heilversuche eingestuft:
In Statement 5.35 (war 5.36 in 2016) heißt es:

"Es ist zurzeit nicht gesichert, dass die ausgedehnte Lymphadenektomie ohne adjuvante Maßnahme einen Überlebensvorteil für nodalpositive oder für nodalnegative Patienten bewirkt. Es existieren jedoch Hinweise, dass das progressionsfreie Überleben positiv beeinflusst wird."

In dem 2018 modifizierten Statement 5.60 (5.61 in 2016) heißt es jetzt analog:

"Der therapeutische Stellenwert der Lymphadenektomie im Rahmen der radikalen Prostatektomie beim lymphknotenpositiven Prostatakarzinom ist nicht in prospek- tiven Studien geklärt.
Der therapeutische Stellenwert der Bestrahlung der pelvinen Lymphabflusswege nach radikaler Prostatektomie mit Lymphknotendissektion beim lymphknotenposi- tiven Prostatakarzinom ist nicht in prospektiven Studien geklärt.
(Zur Lymphadenektomie siehe auch Empfehlung 5.44)."

Zu Diagnostik von Knochenmetastasen im Rahmen des Stagings wurde eine konsensbasierte Empfehlung ausgesprochen (neu 4.24, war 4.16), die 2018 modifiziert wurde:

"Patienten mit einem histologisch gesicherten Prostatakarzinom und einem PSA- Wert von > 10 ng/ml oder einem Gleason-Score ≥ 8 oder einer T-Kategorie cT3/4 oder Knochenschmerzen sollten eine Skelettszintigraphie erhalten."

Damit ist jetzt klargestellt, dass eine Skelettszintigraphie nicht bei niedriger Wahrscheinlichkeit für positive Befunde durchgeführt werden sollte.
Zur PET heißt es im Kapitel "Staging" nochmals:

"Die Rolle der PET Hybrid-Bildgebung mit radioaktiv markierten PSMA-Liganden im Rahmen des primären Stagings ist unklar, sie sollte daher innerhalb kontrollierter klinischer Studien erfolgen." (Empfehlung 4.25)

In den Erläuterungen zur Empfehlung 6.13 ("Vor Salvageprostatektomie als lokaler Therapie sollte die Diagnose eines Lokalrezidivs mittels transrektaler Stanzbiopsie gesichert werden") heißt es (auch in der Leitlinienversion 2018):

"Eine bildgebende Technik (Cholin-PET/CT) kann aufgrund der fehlenden Datenlage noch nicht als Alternative zur Biopsie empfohlen werden."

Im Kapitel 10 listet die aktuelle Leitlinie Prostatakarzinom in der Version 5.0 vom April 2018 unter der Überschrift "Forschungsfragen" weiterhin offene Fragan auf, die auch in der aktuellen Leitlinie als letztlich noch nicht befriedigend beantwortet angesehen werden. Dort heißt es unter
"4. Diagnostik und Therapie des Rezidivs:"

Die Leitliniengruppe sieht vorrangig Forschungsbedarf hinsichtlich folgender Fragen:
• Nutzen der PET/CT bei einem biochemischen Rezidiv (PSA-Wert >1ng/ml) vor einer Salvage-Strahlentherapie oder vor einer Salvage-Lymphadenektomie

Entwurfsversionen der Prostatakarzinom-Leitlinie finden sich auf den Seiten des Leitlinienprogramms Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft, wenn solche dort zu Kommentierungszwecken eingestellt werden.

Evidenz / Systematische Literaturübersichten / Studien

EVIDENCE SYNTHESIS:
A total of 98 studies were included in this systematic review, reporting on the role of transrectal ultrasonography (TRUS), computed tomography (CT), bone scintigraphy (BS), single-photon emission CT, multiparametric magnetic resonance imaging (mpMRI), whole-body MRI (wbMRI), and positron emission tomography (PET)-CT/MRI using 18F fluoro-deoxy-glucose, 11C choline, 18F (fluoro)(methyl)choline, 11C acetate, 18F FACBC (fluciclovine) and prostate-specific membrane antigen (PSMA)-based tracers. CT and BS were not sufficiently sensitive in the early recurrence setting. For the detection of local recurrence, TRUS or mpMRI can be used; however, at the lowest PSA levels, few data were available, only after radical prostatectomy, showing a wide range of positivity. TRUS or mpMRI need to be combined with (PET)-CT to assess distant disease, but new techniques such as wbMRI, PET-MRI, or PET-CT allow for an all-in-one approach. At recurrent PSA levels <0.5ng/ml, detection rates up to 31.3% were reported using 11C choline PET-CT and up to 65.0% using 68Ga PSMA-11 PET-CT. At recurrent PSA levels <0.2ng/ml, detection rates of 68Ga PSMA-11 PET-CT ranged from 11.3% to as high as 58.3%.
CONCLUSIONS:
Detection rates of different imaging techniques depend on the PSA level at the time of imaging. Recent advanced imaging techniques may detect the localization of the recurrence, even when the PSA levels are still very low.
PATIENT SUMMARY:
In patients treated for prostate cancer, a rising serum prostate-specific antigen (PSA) level is a sign of recurrence of the disease. Advanced imaging techniques may demonstrate the localization of the recurrence, even when the PSA levels are still very low.

PET bei Prostatakarzinom - Empfehlungen in internationalen Leitlinien

Folgende internationale Leitlinien enthalten Aussagen zum Einsatz der PET bzw. PET-CT bei Prostatakarzinom (unvollständige, selektionierte Auflistung):

"Offer a prostate-specific membrane antigen positron emission tomography (PSMA PET) scan to men with a persistent PSA > 0.2 ng/mL to exclude metastatic disease. […]
At present there is uncertainty regarding the best treatment if PSMA PET/CT shows metastatic disease."
Perform prostate-specific membrane antigen (PSMA) positron emission tomography (PET) computed tomography (CT) if the PSA level is > 0.2 ng/mL and if the results will influence subsequent treatment decisions. […]
However, imaging is only of value if it leads to a treatment change and therefore to a better outcome. In practice, limited data are available regarding the outcome based on imaging at relapse.

NCCN. Guidelines for patients. Prostate cancer.

(Eine Version der Leitlinie für Ärzte ist nur für registrierte Nutzer einsehbar).
Die NCCN-Leitlinie sieht die Möglichkeit eines Einsatzes der PET zur Metastasensuche nach erfolgter Prostatektomie oder nach primärer externer Strahlentherapie. Eine konkrete Empfehlung wird allerdings nicht ausgesprochen.

Die aktuelle Leitlinie des NICE zum Prostatakarzinom enthält keinerlei Empfehlungen zur PET-CT. Die Vorgängerversion von 2014 enthielt lediglich eine Negativ-Empfehlung ("Do not do recommendation"):
Do not offer positron emission tomography imaging for prostate cancer in routine clinical practice.
(Eine weitere Empfehlung betraf das Vorgehen bei Metastasen mit unbekanntem Primärtumor und erhöhtem PSA - hier wurde eine PET-CT in bestimmten Situationen empfohlen für Patienten, bei denen eine kurative Therapie grundsätzlich möglich erscheint.)

PET bei Prostatakarzinom - Kostenübernahme-Entscheidungen internationaler Gesundheitsversorger

  • Großbritannien:

in Großbritanniens staatlichem Gesundheitssystem wird die PET von der übergeordneten Behörde National Institute for Health and Care Excellence (NICE) beim Prostatakarzinom in der Regelversorgung als nicht sinnvoll angesehen Empfehlungen des NICE zur PET bzw. PET-CT bei Prostatakarzinom.

  • USA:

In den Vereinigten Staaten wird von den amerikanischen "Centers for Medicare and Medicaid Services" (CMS) die Kostenübernahme von PET-Untersuchungen in den so genannten "National Coverage Documents" für "Positron Emission Tomography (PET) Scans" geregelt.
Eine schnelle Übersicht über die im Medicare&Medicaid-System anerkannten Indikationen für den Einsatz der PET gibt die Webseite Petnet Solutions in Form einer regelmäßig aktualisierten Liste Medicare Coverage for PET/CT Scans heraus. (Betreiber der Webseite „Petnet Solutions“ ist der Siemens-Konzern, was dafür spricht, dass es sich hier um zuverlässige Informationen handelt, denn bei Falschinformationen müsste Siemens sicher mit nicht unerheblichen juristischen und finanziellen Konsequenzen rechnen.)
Das Prostatakarzinom ist der einzige maligne Tumor, der auch aktuell im Rahmen der Primärdiagnostik als "Not covered", also nicht von Medicare oder Medicaid übernommene Untersuchung aufgeführt wird. Lediglich zur Entscheidung über weitere Behandlungen im Verlauf der Erkrankung (also nach erfolgter Ersttherapie und bei Auftreten eines Rezidivs oder von Metastasen oder Progress) kann die PET bei Prostatakarzinom zu Lasten von Medicare oder Medicaid durchgeführt werden.

Grundsätzliche Indikations-Einschränkungen beim Prostatakarzinom

  • Die FDG-PET ist beim Prostatakarzinom zur lokalen Tumorbeurteilung grundsätzlich nicht geeignet, da FDG in der Blase anreichern und so jede weitere Aktivitätsaufnahme "übertünchen" würde.

Grundsätzliche auch bei konservativem Ansatz möglicherweise sinnvolle Einsatzgebiete





Siehe auch in diesem Wiki:


Alle medizinischen Aussagen und Informationen in diesem Wiki dienen nicht der individuellen Beratung und können und sollen eine persönliche fachliche ärztliche oder sonstige Beratung nicht ersetzen! Auch erheben die hier gemachten Aussagen keinen Anspruch auf Richtigkeit oder Vollständigkeit. Dies ist keine Gesundheitsberatungsseite und auch keine Sozialberatungsseite!



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