Hyperthermie - allgemeines

Erstellt am 16 Sep 2015 15:38
Zuletzt geändert: 21 Sep 2020 20:36

Hintergrundinformationen zur Methode „Hyperthermie

Hyperthermie bedeutet ganz allgemein „Überwärmung“. In der Medizin kann sich dies auf den ganzen Körper oder nur auf einzelne Körperteile oder Organe oder sogar nur Teile von Organen beziehen. Die Bezeichnung „Hyperthermie“ ist ein Oberbegriff. Mit diesem Oberbegriff können ganz verschiedene Methoden gemeint sein.

Zum Teil existieren Varianten der Hyperthermie bereits seit Jahren und werden auch seit Jahren eingesetzt, so z.B. bei der Behandlung gutartiger Veränderungen an der Prostata. Diese lassen sich aber besser mit dem Begriff der so genannten Thermoablation (Gewebezerstörung durch Hitze) beschreiben und werden allgemein nicht als Hyperthermie bezeichnet. Beispiele sind die wasserinduzierte Thermotherapie (WIT), die transurethrale Radio Frequenztherapie (TURF) oder die transurethrale radiofrequente Nadeltherapie (TUNA) sowie die Transurethrale Mikrowellen Thermotherapie (TUMT) zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms.

In der Regel bezieht sich die Bezeichnung Hyperthermie auf eine Methode zur Behandlung bösartiger Erkrankungen. Dieser Einsatz gezielter Überwärmung in der Krebstherapie wird seit Jahren vielfach beforscht.

Wirkungsweise der Hyperthermie in der Krebsbekämpfung

Es existieren verschiedene Vermutungen (Hypothesen).

Eine Hypothese geht davon aus, dass Tumorzellen aufgrund ihres, mit dem raschen Wachstum einhergehenden, hohen Sauerstoffbedarfs und der eher schlechten Blutversorgung im Tumor empfindlicher (hypoxisch) auf eine deutliche Erhöhung ihrer Temperatur reagieren sollen als normale, nicht entartete Körperzellen und daher unter Überwärmung vergleichsweise leicht abgetötet werden können. Diese Hypothese ist logisch schwer vereinbar mit einer weiteren Hypothese, wonach die Hyperthermie die Durchblutung im Tumor verbessern und so die Anflutung von Chemotherapeutika – und daher deren Wirkung – verstärken soll.

Eine weitere Hypothese zur Wirkung der Hyperthermie besagt, dass die Ausbildung so genannter Hitzeschockproteine auf der Oberfläche von Tumorzellen dazu führen könnte, dass die Tumorzellen besser vom Abwehrsystem als körperfremd erkannt und abgetötet werden können1,2,3. Andererseits soll aber auch eine zunehmende Temperaturerhöhung zum Verlust der Fähigkeit zur Hitzeschockprotein-Bildung und hierdurch bedingt den Zelltod von Tumorzellen fördern4. Die Temperaturverteilung im Gewebe scheint eine wesentliche Rolle für die Funktion der Hitzeschockproteine zu spielen5,6. Außerhalb der Hyperthermie-Forschung sind Hitzeschockproteine von Bedeutung in der Pathophysiologie des Hitzschlags und der Sepsis7. Bei diesen Erkrankungen werden durch Freisetzung von Hitzeschockproteinen weitere, den Organismus schädigende Reaktionen in Gang gesetzt8,9. Neuere Erkenntnisse, wonach Hitzeschockproteine in Abhängigkeit von ihrer Lokalisierung innerhalb oder außerhalb der Zelle unterschiedliche Funktionsketten aktivieren, ebenso wie Hinweise darauf, dass bei unterschiedlichen Grunderkrankungen unterschiedliche temperaturabhängige Genexpressionsmuster aktiviert werden10, sind hinsichtlich der Bedeutung im Zusammenhang mit der Hyperthermie derzeit wissenschaftlich nicht geklärt11.

Eine weitere Hypothese zur Wirksamkeit der Hyperthermie beruht auf vereinzelten Laborbeobachtungen, wonach unter Temperaturerhöhung eine Aktivierung von Immunzellen wie T-Zellen und/oder NK-Zellen gesehen wurde. Die Hoffnung, dass aus diesen Laborbeobachtungen auch eine klinische Wirksamkeit in Form z. B. eines Metastasierungsrückganges resultieren würde, konnte bislang durch klinische Daten nicht bestätigt werden.

Es existieren jedoch klinische Daten, die eine Wirksamkeitsverstärkung einer Bestrahlungstherapie ebenso wie eine Effektsteigerung einer zytostatischen Therapie durch eine simultane Kombination mit qualitätsgesicherter Hyperthermie in verschiedenen Untersuchungen zeigen12.

Bei den Hyperthermie-Methoden, die zur Behandlung von bösartigen Erkrankungen eingesetzt werden, unterscheidet man Ganzkörperhyperthermie, regionale Tiefenhyperthermie, Oberflächenhyperthermie, Hyperthermie in Kombination mit Radiatio und/oder Chemotherapie.

Qualitätskriterien für die Durchführung von Hyperthermiebehandlungen

Die Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Hyperthermie (IAH) in der Deutschen Krebsgesellschaft13 hat im Jahr 2012 Qualitätskriterien für die Durchführung von Hyperthermiebehandlungen herausgegeben14.

Die Leitlinien der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Hyperthermie (IAH) in der Deutschen Krebsgesellschaft bezeichnen kontinuierliche Temperaturkontrollen als unbedingt erforderlich für die Patientensicherheit. Die IAH empfiehlt Temperaturkontrollen sowohl im Zielgebiet der Überwärmung oder in durch Sensoren erreichbarer Nähe des Zielorgans als auch in nahe gelegenen temperaturempfindlichen Organen/Körperbereichen oder in deren nächst-erreichbarer Nähe. Darüber hinaus sollte auch bei der regionalen und lokalen Hyperthermie die systemische Körpertemperatur (wie beim Fiebermessen) regelmäßig, z. B. mittels eines Mund-Thermometers, kontrolliert werden.

Aus Gründen der Patientensicherheit wie auch der Wirksamkeit der Therapie sollen darüber hinaus gemäß dieser aktuellen Leitlinie während der Durchführung einer Hyperthermie-Behandlung mindestens zwei Verantwortliche aus den Berufsgruppen „Arzt/Ärztin, Physiker/Physikerin oder Ingenieur/Ingenieurin, technischer Assistenzberuf wie MTRAständig anwesend sein.

Siehe auch:

Informationen der Arbeitsgruppe Hyperthermie an der Uni München

Geräte zur Durchführung der Hyperthermie

Geräte, welche der aktuellen Leitlinie der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Hyperthermie (IAH) entsprechen, weisen generell Leistungen in der Größenordnung von ca. 1.000 bis 2.000 Watt auf, da nur so eine ausreichende Erwärmung in der Tiefe des menschlichen Körpers möglich ist. Diesbezüglich sei zum besseren Verständnis darauf hingewiesen, dass ein jeder Mensch ständig sowohl Wärme produziert als auch eine Kühlleistung des Körpers erbringt. Die durchschnittliche Wärmeabgabe eines Menschen über die Haut beträgt in Ruhe ca. 50 W/m2 Körperoberfläche. Die Kühlleistungen des menschlichen Körpers können – im Durchschnitt, abhängig vom körperlichen Gesamtzustand und von der Durchblutung der bestrahlten Region sowie der Zeitdauer der Wärmezufuhr – Wärmeenergie-Mengen von bis zu rund 500 Watt kompensieren, bevor eine nennenswerte Erwärmung in der Tiefe auftritt. Insofern ist für eine Erwärmung von in der Körpertiefe gelegenen Tumorzellen eine ausreichende Energiemenge Voraussetzung, damit die eingestrahlte Wärmeenergie nicht vollständig oder überwiegend durch die körpereigene Kühlleistung ausgeglichen wird.

Der aktuellen Leitlinie der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Hyperthermie (IAH) lässt sich entnehmen, dass die zur Hyperthermie eingesetzten Geräte über so genannte phasengesteuerte Gruppenstrahler mit starker Richtwirkung („annular phased-array Applikatoren“) im Frequenzbereich von 100 bis 1.000 MHz verfügen sollten. Entsprechende Geräte lassen sich relativ gut auch auf kleine Bereiche im Körper zielgenau ausrichten, da die erzeugten Wellenlängen im Zentimeterbereich liegen15.

Bezüglich der Temperaturmessung während der Hyperthermie lassen sich den Leitlinien der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Hyperthermie (IAH) keine Geräte-Empfehlungen entnehmen.
Unklar ist, welche Temperaturüberwachungssensoren eingesetzt werden können und ob z.B. Sensoren, die in anderem Zusammenhang entwickelt wurden, geeignet sind (z.B. 3M™ Bair Hugger™ Temperaturüberwachungssensor, Modell 36000). Grundsätzlich ist auch offen, ob nichtinvasive Temperaturmessungen ausreichen können; vgl.
An evaluation of a zero-heat-flux cutaneous thermometer in cardiac surgical patients..
Development of Body-Tissue Temperature-Control Transducer.

Kapazitative Hyperthermie

Es existieren auf dem Markt Hyperthermie-Geräte, die als kapazitative Systeme oder Elektrohyperthermie-Geräte bezeichnet werden und die mit niedrigen Frequenzen (typischerweise um 13,6 MHz) arbeiten. Diese Geräte erreichen eine hohe Eindringtiefe als Folge der langen Wellenlängen im Meter-Bereich. Die Hyperthermie wird hier durch Plattenelektroden erzeugt, zwischen denen ein elektrisches Wechselfeld aufgespannt wird. Die Richtung und Dichte dieses Feldes sind kaum steuerbar, so dass bei dieser Form der Hyperthermie Überhitzungen im Fettgewebe und an knöchernen Strukturen bei ausreichender Erwärmung im Zielgebiet kaum vermeidbar sind16.

Besonders die Vertreter der 1988 von Prof. Dr. András Szász in Budapest gegründeten Firma Oncotherm führen hypothetische Wirkmechanismen als postulierten Vorteil der so genannten Oncothermie ins Feld17

Die Hypothesen-Gebäude um die so genannte Oncothermie werden von der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Hyperthermie (IAH) in der Deutschen Krebsgesellschaft nicht vertreten.

Siehe auch:

Empfehlungen der Deutschen Krebsgesellschaft

Die Krebsgesellschaft Nordrhein-Westfalen hat zur Hyperthermie folgende Empfehlung ausgesprochen:

Die Hyperthermie wird derzeit intensiv erforscht, insbesondere in Kombination mit Chemo- und/oder Strahlentherapie. Möglicherweise kann sie in Zukunft die erprobten Krebs-Standardtherapien erweitern. Derzeit gibt es aber nur unzureichende Wirksamkeitsnachweise. Da für die Hyperthermie alleine bislang noch keine wissenschaftlich haltbaren positiven Auswirkungen auf die rezidiv- und metastasenfreien Zeiten und Gesamtüberlebenszeiten nachgewiesen sind, sollte das Verfahren immer mit einer anderen Tumorzellen tötenden Therapie (Chemo-, Strahlen- und/oder Zytokintherapie) kombiniert und derzeit nur bei ganz bestimmten Indikationen (z. B. Gebärmutterhalskrebs) angewendet werden. Ein Nutzen ist daraus jedoch nicht mit Gewissheit abzuleiten. Interessenten sollten sich vor Therapiebeginn auf jeden Fall an eines der zahlreichen universitären Hyperthermiezentren wenden und dort eine zweite Meinung einholen.

Vorsicht ist geboten bei wiederholt durchzuführenden, kostenintensiven Fiebertherapien oder milden Ganzkörper-Hyperthermien. Die Kosten sind zumeist sehr hoch und der therapeutische Nutzen äußerst fragwürdig18.“

Eine Tumortherapie mit Hyperthermie nach den Richtlinien der interdisziplinären Arbeitsgruppe Hyperthermie (IAH) wird nur in ausgewiesenen Zentren durchgeführt. Eine Auflistung dieser Zentren findet sich auf der Webseite der IAH unter „www.hyperthermie.org“.

Namen von Ärzten und Wissenschaftlern, die sich aktiv an methodisch guten Studien zur Hyperthermie beteiligen, finden sich auf der Homepage des Atzelsberger Kreis für klinische Hyperthermie.

Weblinks/Weiterführende Informationen


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