Cholin-PET bei Prostatakarzinom

Erstellt am 18 Nov 2015 11:01
Zuletzt geändert: 21 Jun 2016 21:00

Abstract

Unter der Bezeichnung "Cholin-PET" werden Untersuchungen mittels Positronen-Emissions-Tomographie unter Nutzung verschiedener cholinhalter Radiopharmaka beantragt.

Achtung: Unter antihormoneller Behandlung ist die Nachweisbarkeit von Prostatakarzinom-Gewebe mit 11C-Cholin eingeschränkt! Dies ist zumindest den Webseiten der Uniklinik Münster zu entnehmen.

Abgrenzung / Begriffsklärung

Da die FDG-PET beim Prostatakarzinom nicht sinnvoll eingesetzt werden kann, werden für die Diagnostik bei dieser Erkrankung andere Radiotracer eingesetzt.

Beschreibung / Funktionsprinzip / Hintergrund

Da FDG über die Harnwege und Blase ausgeschieden wird und somit dort sehr stark anreichert und in der Darstellung nahe gelegene Strukturen überlagert, sind zur Darstellung Blasen- bzw. Harnwegs-naher Veränderungen Tracer besser geeignet, die diese Effekt nicht im gleichen Maße zeigen.
Verschiedene radioaktiv markierte Cholin-basierende Verbindungen wurden speziell zur Darstellung des Prostatakarzinoms erprobt.

Indikation

Eine Cholin-PET wird (wie das PSMA-PET) in folgenden Situationen beantragt:

1. Vor Operation zum Staging und Metastasen-Ausschluss.

Hier ist grundsätzlich keine Indikation gegeben, da die konventionellen Untersuchungsmethoden die Entscheidung für oder gegen die Prostata-Operation erlauben. Es existiert keine einzige evidenzbasierte Leitlinie, welche den Einsatz der PET in dieser Situation befürworten bzw. empfehlen würde.
Für das Staging enthält die aktuelle Version der deutschen Prostatakarzinom-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU) folgende Aussage:
"Eine PET/CT soll im Rahmen des Staging nicht erfolgen."

2. PSA-Rezidiv oder biochemisches Rezidiv

a) Nach primärer Operation bei ansteigendem Tumormarker. Hierunter fallen auch Fälle, in denen operativ keine tumorfreien Absetzungsränder erreicht wurden und die daher nie auf eine PSA-Nadir um 0 ng/ml gekommen sind.

Für das PSA-Rezidiv enthält die aktuelle Version der deutschen Prostatakarzinom-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU) folgende Aussage:
"Im Rahmen einer Rezidivdiagnostik nach radikaler Prostatektomie soll bei einem PSA-Wert < 1 ng/ml keine PET/CT zur Beurteilung der Tumorausdehnung erfolgen."
"Für die Abklärung von Lymphknotenmetastasen ist die PET/CT aufgrund der Alternativen MRT oder CT nicht erforderlich."

b) Nach primärer Bestrahlung bei ansteigendem Tumormarker.

Hier gelten folgende Aussagen der Prostatakarzinom-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU):
"Im Rahmen der Rezidivdiagnostik nach Strahlentherapie soll keine PET/CT-Diagnostik erfolgen, wenn das PSA nicht mindestens 2 ng/ml ist."
"Für die Abklärung von Lymphknotenmetastasen ist die PET/CT aufgrund der Alternativen MRT oder CT nicht erforderlich."

Wirkung und Wirksamkeit

Eine prospektive klinische Untersuchung aus dem Jahr 2014 verglich in drei Gruppen eine alleinige CT oder eine MRT mit Diffusionssichtung mit einer 11C-Cholin-PET-CT und fand hinsichtlich der korrekt entdeckten Lymphknoten keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei Methoden1.

Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2014 bündelte die Daten von 609 Patienten und fand eine gepoolte Sensitivität und Spezifität der Cholin-PET-CT für pelvine Lymphknotenmetastasen von jeweils 62% (95% CI, 51-66%) und 92% (95% CI, 89-94%)2 .

Eine weitere Studie aus dem Jahr 2014 verglich ebenfalls die diffusionsgewichtete MRT und die 11C-Cholin-PET-CT miteinander und kam zu dem Schluss, dass zwar zu einem geringen Teil komplementäre Informationen durch beide Methoden gewonnen werden können – der geringe Informationsgewinn rechtfertige jedoch den Einsatz in der klinischen Routine nicht3.

In 2013 fanden zwei Arbeiten sowohl für die 11C- als auch für die 18F-choline PET-CT zwar eine gute Spezifität für Lymphknotenmetastasen, jedoch eine Sensitivität von nur 10-73%(Brogsitter et al.4; Poulsen et al.5.

Eine weitere prospektive Studie, in der die Ergebnisse einer Fluor-Cholin-PET mit den Ergebnissen der vollständigen Lymphadenektomie und Histologie (Goldstandard) verglichen wurden, ergab eine Sensitivität für Lymphknotenmetastasen von lediglich 39,7% (Tilki et al. 20136).

Mitte 2013 erschien eine systematische Literatur-Analyse von einem Autorenteam aus Padua7. Die Autoren dieser Metaanalyse kommen zu dem Schluss, dass bei hoher Spezifität von 95% für die 11C-Cholin-PET/CT im primären Lymphknotenstaging eine insgesamt niedrige Sensitivität von ca. 50% vorliegt und eine breite Anwendung nicht zu empfehlen ist.

Eine Arbeit von Steuber et al. (20108) enthält folgende Aussagen zur Möglichkeit der Lymphknotendetektion mittels FEC-PET:

… Of the 20 patients, 9 men had LN metastasis (45%), which corresponds to 31 out of 285 (11%) LN with a mean size of 7mm (0.8–12 mm). Dissection of the obturator fossa, external iliac artery/vein and internal iliac artery/vein revealed 36%, 48% and 16% of positive LN, respectively.
FEC PET/CT did not detect one single LN metastasis, thus was false-negative in 31 metastasis and true negative in 254 LN. The largest LN metastasis not seen with FEC PET/CT scan was 12 mm.

Diskrepanzen zwischen Angaben zur Testgüte der Colin-PET in früher publizierten retrospektiven und später publizierten prospektiven Studien wurden z.B. von Scattoni und Ko-Autoren 2011 dargelegt9.

Zum Nutzen der verschiedenen Varianten der Cholin-PET zur Entdeckung von Knochenmetastasen enthält die 2015er Version der Europäischen Leitlinie der EAU10 ebenfalls sehr moderate Zahlen: Bei Patienten mit einem biochemischen Rezidiv nach Prostatektomie wurden Entdeckungsraten von nur 5-24% bei einem PSA unterhalb von 1 ng/mL gefunden. Diese stiegen in den verschiedenen Studien, die der Leitlinie zugrunde lagen, auf Werte von 67-100% an, wenn das PSA oberhalb von 5 ng/mL betrug. Insgesamt beschreiben die Autoren eine hohe Abhängigkeit der PET-CT-Sensititvität von der PSA-Kinetik.

Eine etwas ältere Arbeit von Arbeit von Beheshti et al. (200811) enthält folgende Aussagen zum Vergleich der Fluor-Cholin-PET und der 18-Fluor-PET bei der Suche nach Knochenmetastasen:

18-F fluoride PET-CT identified more lesions in some patients when compared with 18-F FCH PET-CT but did not change patient management.

Dies bedeutet, dass die genaueste Diagnostik in dieser Untersuchung erstens mit der 18-Fluor-PET -Methode erzielt wurde und nicht mit der FCH-PET (Fluor-Cholin-PET) und dass zweitens die erhöhte Genauigkeit der Untersuchung keine Vorteile für die Patienten erbrachte.

Für die Diagnose eines lokalen Rezidivs kann sowohl die Cholin- als auch die Azetat-PET-CT zwar eingesetzt werden, jedoch stellt die Leitlinie der EAU in der Version vom März 201512 hierzu zusammenfassend fest, dass die PET beim Einsatz nach Prostatektomie zwar Lokalrezidive aufdecken kann, dabei jedoch weniger sensitiv sei als die Kernspintomographie. Ebenso sei eine Aufdeckung lokaler Rezidive nach Strahlentherapie mit Cholin- oder Azetat-PET-CT zwar grundsätzlich möglich, jedoch bei schlechterer räumlicher Auflösung als mittels Kernspintomographie.

Legalstatus

Cholin-Tracer sind bislang laut AMIS-Datenbank des BfArM13 in drei Produkten als fertige Injektionslösungen arzneimittelrechtlich zugelassen und verkehrsfähig in Form von 18F-Flourethylcholin (Firma Eckert & Ziegler) und 18F-Fluormethylcholin (IASOcholine®, Iason, Graz/Östereich). Die außervertraglich entstehenden Kosten für eine Cholin-PET/CT liegen in der Region Nordrhein bei ca.1100,- Euro.

Alternativen

Die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit einer erweiterten Bildgebung beim Prostatakarzinom ist generell vom Einzelfall abhängig; insbesondere von der Antwort auf die Frage, ob im Einzelfall durch die Bildgebung überhaupt eine Therapie mit wahrscheinlichem gesundheitlichen Nutzen erschlossen werden kann.

Eine Therapie bei einem Patienten ohne Symptome und mit einer von dem Prostatakarzinom unabhängigen Lebenserwartung von weniger als 10 Jahren ist generell sehr zurückhaltend zu bewerten, da hier ein gesundheitlicher Patienten-Nutzen nur selten zu erwarten ist. Infolgedessen ist bei solchen Patienten auch in der Regel eine erweiterte Bildgebung mit CT, MRT oder PET nicht sinnvoll.

Quellen

Siehe auch:


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